Ballett in Zeiten von Corona, auf dem Bild: Vera Segova; Foto: Anastasia Klimovskaya
Seit Mitte März laufen in deutschen Theatern keine Vorstellungen mehr. Selbst Proben finden nur selten statt. Wir haben Vera Segova, Demi-Solistin des Bayerischen Staatsballetts, gefragt, wie das Leben einer Balletttänzerin in Zeiten von Corona aussieht.
Vera, wie geht es Dir in der Quarantäne? Vermisst Du die Arbeit?
Ja, absolut. Als Balletttänzerin muss man immer in einem guten körperlichen Zustand sein. Allerdings merke ich langsam, dass meinem Körper diese physische Arbeit fehlt. Auf der anderen Seite vermisse ich natürlich auch die große Bühne und die Vorstellungen vor dem Publikum.
Erzähl doch mal von Deinem normalen Arbeitsalltag. Wie hat sich der durch die Pandemie verändert?
Normalerweise haben wir jeden Tag Ballettunterricht und Proben. Dazu kommen noch die abendlichen Vorstellungen. Sonst bin ich etwa acht Stunden am Tag im Theater beschäftigt, das ist jetzt schon eine große Umstellung. Wir müssen immer in einer guten körperlichen Form bleiben. Das fällt gerade vielen meiner Kolleg*innen, wegen der mangelnden physischen Arbeit, sehr schwer. Als in München noch die Ausgangssperre galt, haben wir etwa 1,5 Stunden am Tag per Zoom trainiert, ausreichend war das aber nicht.
Wie darf man sich so eine Ballettstunde über Zoom vorstellen?
Jeder von uns hat vom Theater ein 1,5 Quadratmeter großes Stück Linoleum bekommen, um zu Hause trainieren zu können – klingt erstmal ziemlich witzig, aber ein Fouetté kann man leider auch nicht auf einem beliebigen Boden machen. Jeden Tag um zehn Uhr morgens hatten wir einen gemeinsamen Zoom-Call. Dort hat der Trainer den Unterricht geleitet und wir haben die klassischen Übungen an der Ballettstange gemacht. Währenddessen hat unser Konzertmeister – auch per Zoom – Musik für uns gespielt. So zu trainieren ist ziemlich umständlich, wenn man eine kleine Wohnung hat, aber besonders kreative Kolleg*innen haben manchmal im Hof oder im Garten trainiert. Da waren die Nachbarn begeistert. Aber an sich ersetzt es auf gar keinem Fall normale Proben. Seit drei Wochen haben wir wieder Unterricht im Theater, aber auch nur in Fünfer-Gruppen. Körperlich fühle ich mich zwar schon viel besser, doch wahrscheinlich wird es trotzdem für viele sehr schwierig sein, Anfang der nächsten Spielzeit wieder so wie früher zu arbeiten. Wenn es bis dahin überhaupt wieder möglich sein wird.
Fast alle Theater bleiben bis zum Beginn der nächsten Spielzeit geschlossen. Die meisten von ihnen werden bis Jahresende noch nicht mal alle Plätze mit Zuschauer*innen belegen können. Findest Du diese Maßnahmen gerechtfertigt?
Auch wenn es für mich persönlich eher traurig ist, würde ich sagen, ja. Man muss immer bedenken, dass an einer Ballettvorstellung sehr viele Personen beteiligt sind. Das sind nicht nur sehr viele Tänzer*innen, sondern auch viele Musiker*innen, Menschen, die hinter der Bühne arbeiten, wie die Maskenbildner*innen oder die Kostümabteilung, Techniker*innen und so weiter. Und sie alle haben Familien. Die Ansteckungsgefahr wäre sehr groß, deshalb finde ich diese Maßnahmen schon berechtigt, auch wenn ich meine Arbeit sehr vermisse.
Sind Online-Vorstellungen deiner Meinung nach eine gute Option?
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin von der Idee nicht begeistert. Mit dem Publikum im Saal gibt es einen gewissen Energieaustausch zwischen den Balletttänzer*innen und den Zuschauer*innen. Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn man vor einem Kameramann in einem sonst leeren Raum tanzt und nur das laute Klopfen der Spitzenschuhe auf dem Boden und den schweren Atem des Tanzpartners anstelle von Applaus hört. Aber natürlich verstehe ich auch, wenn man auf anderem Wege versucht, die normalen Vorstellungen zu ersetzten.