gelesen: (Post-) Faktum – Gesellschaftliche Lügen

Glatt gelogen: Wie Fake News plötzlich unsere Gesellschaft lenken (Foto: Christine Leitner)

Fake News sind nicht nur ein Produkt des Journalismus. Doch in den neuen Medien sind sie ein gefundenes Fressen, um Zivilgesellschaften zu spalten und Unsicherheit zu stiften. Patrick Gensing über Lügenmaschinerien und einen Machtkampf, der jeden betrifft.

Der Kampf tobt seit geraumer Zeit. Im Netz fechten Nationalstaaten einen Krieg aus, ein erbittertes Wortgefecht in dem für Wahrheit kein Platz ist. Patrick Gensing, Journalist  der ARD, beschreibt es als „ideologische Propagandaschlacht“, um die Demokratie absichtlich zu gefährden. Wie in jedem Krieg ist auch hier die Zivilgesellschaft betroffen. Verunsichert steht sie irgendwo dazwischen, hin- und hergerissen zwischen Behauptungen führender Eliten und Staatsoberhäupter, verloren in einer zutiefst polarisierten Medienwelt.

Ihren großen Stellenwert dürfte die Moral in unserer globalen Gesellschaft eingebüßt haben. Lügen, so könnte man mit einem Blick auf die sozialen Medien meinen, sind ein notwendiges und wichtiges Mittel zum Zweck der Machtdemonstration. Das Rennen ist undurchsichtig: Wer ist wem mit den dreistesten Lügen und der größten Bot-Armee überlegen? Patrick Gensing erklärt in seinem neuesten Buch „Fakten gegen Fake News oder der Kampf um die Demokratie“ das Phänomen der Fake News – absichtlich verbreiteter Falschmeldungen im digitalen Raum.

Ein trügerisches Instrument

Um zu veranschaulichen, wie Fake News demokratische Gesellschaften gefährden, greift Gensing auf aktuelle Beispiele zurück. Er beginnt seine Erzählung mit den traditionellen Medien, die Meldungen von Nachrichtenagenturen falsch übernehmen und so den Fake News ihren Lauf geben. In den Augen des Autors eher ein unglückliches Malheur, das aus einem Ressourcenmangel innerhalb der Redaktionen erwächst. Problematisch wird dieses Missgeschick dann, wenn traditionelle Medien mit ihren Falschmeldungen zur Stimmungsmache in der Bevölkerung beitragen. Gensings Beispiel: 12 Millionen Einwanderer, die Merkel in Deutschland willkommen heißen möchte. Eine Meldung, die so nicht stimmt, es jedoch vom österreichischen Medium, das sich auf den britischen Express bezieht, in die Rheinische Post schafft und im Netz vielfach geteilt und so verbreitet wird. Eine „Art journalistische ‚Stille Post‘“.

Weiterhin erklärt Gensing, wie rechte Gruppierungen, Akteure und Parteien diesen Lügenball für sich instrumentalisieren, um politische Gegner zu diskreditieren und ihre Politik anzuprangern. Prägendes Beispiel auch hier: Merkels Flüchtlingspolitik. Davon ausgehend beschreibt Gensing, welche Rolle Fake News in internationalen Konflikten zwischen den USA und Russland, spielen und wie Diktatoren und politische Machthaber Lügen für sich instrumentalisieren, um Gesellschaften zu verunsichern und zu spalten.

Ein wichtiges Instrument sind die Social Bots, die per Twitter Lügenmärchen verbreiten und polarisieren sollen. Gensing endet seine Argumentation mit einem Appell, sich vermehrt für die Medienkompetenz der gesamten Bevölkerung einzusetzen, da Fake News nicht in jedem Fall zum Nachteil anderer verbreitet werden und viele diese, für wahr gehaltenen Informationen, weiterverbreiten und glauben.

Fake News sind keine Erfindung des digitalen Zeitalters

Patrick Gensing ist Gründer und Mitarbeiter des ARD-Faktencheck. Die Überprüfung von Fake News ist sein täglich Brot. Er kennt sich aus in der Welt der Fake News und internationalen Lügen, das merkt man.

Was seinem Buch am Ende jedoch fehlt, ist eine historische Einordnung, denn politische Lügen spielen nicht erst seit der Entstehung von der sozialen Medien eine Rolle im internationalen Weltgeschehen. Der Unterschied zu heute besteht lediglich in der Geschwindigkeit, mit der Fake News in einem immer größeren Radius gestreut werden. Abgesehen von der Geschwindigkeitsdimension sind und bleiben Fake News, genau wie in allen anderen Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte, ein Instrument im Macht- und Intrigenspiel großer Akteure.

Dennoch bleibt sein Werk „Fakten gegen Fake News“ ein durchaus lesenswerter und spannender Einstieg in die Welt der Falschmeldungen.