gefragt: Das letzte Hallo

Ist mit dem Tod alles vorbei? Nicht wirklich

Ercan Güven, Vorsitzender von ITholics, hat eine Plattform gegründet, auf der Nutzer ihre digitalen Hinterlassenschaften archivieren können. Die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen ist jedoch gering. Güven erklärt, warum er trotzdem an der Idee festhält.

Herr Güven, woher kam die Idee, eine Dienstleistung zu gründen, die den digitalen Nachlass online verwaltet?

Die Idee für Last Hello kam im Jahr 2016. Bei einem unserer Mitarbeiter gab es einen Todesfall in der Familie, der sehr viele Scherereien mit dem Zugang zu Online-Konten nach sich zog. Am Mittagstisch kam dann die Idee, dass dafür eine Plattform sinnvoll wäre. Wir haben etwas recherchiert und festgestellt, dass es für die Verwaltung digitaler Daten nach dem Tod so noch keine Produkte auf dem Markt gibt. Deshalb haben wir beschlossen, diese Idee umzusetzen.

Wie groß war das Interesse zu Beginn?

Am Anfang ging es tatsächlich relativ träge los. Wir haben festgestellt, dass sich die Leute nicht sonderlich gerne mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Zugleich gab es in der Öffentlichkeit aber immer wieder Ereignisse, die dazu geführt haben, dass unsere User-Zahlen weiter gestiegen sind. Das war beispielsweise dann der Fall, wenn es Terroranschläge gab. Oder der Fall der verstorbenen Facebook-Nutzerin, der in den Medien groß diskutiert wurde. Immer wenn solche Themen in der Öffentlichkeit aufgepoppt sind, sind auch bei uns die User-Zahlen gestiegen. Stand jetzt müssten es ungefähr 450 User*innen sein. Aktuell verzeichnen wir sogar relativ konstante Registrierungszahlen. Fünf bis zehn Registrierungen sind es pro Woche.

Über Ihre Plattform erhalten Nutzer*innen regelmäßig Anfragen, ob es ihnen gut geht. Werden diese nicht bestätigt und erhalten Sie von den Angehörigen den Beweis, dass die Person nicht mehr lebt, versenden Sie eine letzte Nachricht an die Kontaktpersonen mit allen möglichen Hinterlassenschaften. Wie oft haben Sie diese Last Hellos schon verschickt?

Ungefähr siebenmal. Das ist aber nur eine Schätzung, es können auch etwas weniger sein. Ich habe es nicht gezählt. Das ist aber auch schwierig zu sagen, weil die Daten der User nach ihrem Ableben von der Plattform gelöscht werden.

Die Nutzer überlassen Ihnen teilweise sehr sensible Daten. Gibt es da Fragen bezüglich der Vertraulichkeit, gerade in Zeiten, wo Hackerangriffe immer häufiger werden?

Über die Vertrauensfrage haben wir uns intern viele Gedanken gemacht. Die Nutzer*innen sollen schließlich ohne schlechtes Gewissen auch sensible Passwörter bei uns hinterlegen können. Wir haben uns dann ein entsprechendes Konzept überlegt. Die Datenübertragung ist standardmäßig gesichert, die Daten werden per SSL – Secure Socket Layer- verschlüsselt. Das ist aber bereits in jedem Onlineshop Standard. Wenn Nutzer*innen eine Hinterlassenschaft anlegen, passiert Folgendes: Diese Hinterlassenschaft wird vom Webserver entfernt und auf einem internen Server gespeichert, der nicht mit dem Internet verbunden ist. Dabei wird sie noch zweimal verschlüsselt, das heißt, diese Hinterlassenschaft ist anschließend über das Internet gar nicht mehr zu erreichen. Im Umkehrschluss hieße das: Wenn sich jemand einhacken würde, könnte er da nichts einsehen.

Was bedeutet das für den User?

Für den User ist es nicht möglich, seine Hinterlassenschaften online anzuschauen. Wenn die Daten überarbeitet werden, wird die bereits gespeicherte Datei überschrieben. Der User sieht den Inhalt dabei nicht. Es gibt nur den Namen der Datei, der dem User anzeigt, was er hinterlegt hat. Die Inhalte der Dateien kann er aber nicht einsehen.

Wenn ich mich aus Versehen vertippt habe, bemerke ich das also nicht und schlimmstenfalls haben die Hinterbliebenen nach meinem Ableben keinen Zugriff auf mein Netflix-Konto und müssen weiterzahlen?

Wenn man gar nicht mehr weiß, was man aufgeschrieben und hinterlegt hat, hat man die Möglichkeit, sich die Hinterlassenschaft selbst zuzuschicken und sie dann noch einmal zu überarbeiten.

Glauben Sie, dass sich Dienstleistungen zum digitalen Nachlass langfristig etablieren werden?

Last Hello ist nur eines der Produkte unserer IT-Firma. Das hat den Vorteil, dass wir die Kosten für die Infrastruktur locker stemmen können, auch wenn Last Hello jetzt nicht von Anfang an sehr gut gelaufen ist. Daran sind andere Mitbewerber*innen schon gescheitert. Wir sind aber überzeugt, dass es mit den User-Zahlen in den nächsten drei bis fünf Jahren nach oben geht. Auch was die Gesetzeslage angeht, sind wir optimistisch. Sobald Testamentsverfügungen mit digitaler Signatur gesetzlich erlaubt und anerkannt werden, stehen wir schon in den Startlöchern.