Das Zuhause Festival

Auch wenn in diesem Jahr keine Festivals unter freiem Himmel stattfinden, ein Nicht-Festival gibt es trotzdem. Foto: Svenja Tschirner

Bands, die nicht spielen, ein Literaturzelt, dass es nicht gibt, genauso wenig wie die Podcast-Arena- das alles gibt es beim Solidaritäts-Nicht-Festival „Keiner kommt, alle machen mit“.  Bei diesem Festival passiert zwar nichts, Karten kann man aber trotzdem kaufen.

Stellt euch vor, es ist ein Festival, aber vor und auf den Bühnen bleibt es leer. Im ersten Moment klingt das sehr seltsam, dann fällt mit einem Seufzer auf, dass in Zeiten des Lockdowns auch das kulturelle Leben Abstriche machen muss. Man denke beispielsweise an die zahlreichen Theater, Clubs und Bars, die jetzt leer bleiben und deren Besitzer nun vor großen Geldsorgen stehen. Doch wie helfen? Zum Beispiel mit Spenden. Oder indem man schon gekaufte Karten nicht zurückgibt.

Wenn die Karten nicht erstattet werden müssen, behalten die Künstler*innen, die derzeit ohne Einkommen dastehen, die Erlöse. Lars Meier, Initiator des #keinerkommt Festivals, nahm diesem Vorschlag auf, spann ihn weiter und möchte mit dem Nicht-Festival Künstler*innen ohne Einkommen unterstützen. Unter dem Motto „Keiner kommt, alle machen mit“ findet das Festival nicht statt, und zwar am 12. Mai. Auch wenn dann nichts passiert, Festivaltickets kann man trotzdem kaufen. Das Geld für die Karten für das Festival, das nicht stattfindet, wird an Künstler*innen aus Hamburg gespendet. „Mit dem Festival wollen wir auf die Vielfalt der Kultur und auf die Wichtigkeit der Kultur aufmerksam machen“, sagt Meier.

Viel Unterstützung

Wie bei anderen Festivals auch, gibt es auf dem Nicht-Festival nicht nur keine Musik auf die Ohren. Es gibt auch (k)eine Podcast-Arena, (k)ein Literaturzelt und (k)eine Kinder- beziehungsweise Familienbühne, zählt Meier auf. Mit den verschiedenen Namen von Leuten aus diesen Bereichen hätten sie dann geworben, so Meier. „Die haben das alles Beworben, als wäre es ein richtiges Festival und als würden sie da hinkommen.“ Zu denjenigen, die Werbung gemacht haben und nicht kommen, zählen beispielsweise Otto Waalkes oder Sebastian Fitzek. Auch Kirsten Boje wird auf der Website des Festivals zitiert: „Gerade erleben wir, wie wichtig die Kulturschaffenden mit ihren vielfältigen kreativen Angeboten in der Zeit des Lockdown sind […] Ich freue mich darum, bei diesem Festival mal ausnahmsweise NICHT aus meinen Büchern lesen zu dürfen. Machen Sie mit! Gehen Sie nicht hin! Aber kaufen Sie sich ein Ticket!“. Klaas Heufer-Umlauf und Per Mertesacker haben dort ebenfalls kurze Videobotschaften hinterlassen.

Für die nicht erklingende Musik des Festivals bilden das Lineup Bands wie die Beatles und ABBA, die Ärtze, Deichkind oder Ed Sheeran. „Die Internationalen Größen, wie Beatles und ABBA haben wir nicht gefragt, die haben wir einfach auf das Plakat geschrieben, diejenigen aus Deutschland haben wir alle gefragt“, sagt Meier. Die Resonanz von Seiten derer, die „nicht mitmachen“ sei sehr positiv gewesen. Die meisten hätten den Humor und die Idee hinter dem Nicht-Festival verstanden und sie sofort unterstützt.

Die Große Freiheit 36 ausverkauft

Wie bei den „nicht teilnehmenden“ Künstler*innen fiel die Spendenidee auch bei den Ticketkäufer*innen auf fruchtbaren Boden. „Ich habe mal ganz am Anfang gesagt, ich würde gerne die „Große Freiheit 36“ ausverkaufen“, erklärt Meier. Das sei einer seiner Lieblingsclubs, in den circa 1600 Leute reinpassen würden, was etwa einer Summe von 35.000 Euro entspräche. „Und das haben wir geschafft.“

Trotzdem war die Nachfrage auf Seiten der Kulturschaffenden, denen die Spenden zugutekommen sollen, am Anfang zögerlich. Inzwischen, auf der Zielgraden, seien aber mehr als 100 Anträge gestellt worden, wie viel genau weiß Meier noch nicht.

Ein Drittel für jeden Bereich

Das Spendengeld werde gedrittelt: Dabei gingen ein Drittel an Film, ein Drittel an Musik und ein Drittel an Theater, erklärt Meier. „Das Geld geht eben nicht nur an die Institutionen und die Filmproduktionen, sondern auch an die Einzelkämpfer*innen, Gewerke, Bühnenbildner*innen und so weiter.“ Also auch an diejenigen hinter den Kulissen der Betriebe.

Über den Kriterienkatalog sagt Meier allerdings nichts. Nur so viel: „Es geht erstmal nach Bedürftigkeit.“ Und es brauche einen Nachweis, dass es sich um einen künstlerischen Betrieb handelt.

Auch die Stadt Hamburg unterstützte das Projekt. Nicht nur mit der Möglichkeit, auf den Kultursäulen in der Stadt Werbung anzubringen. „Der Kultursenator hat mit Rat und Tat beiseite gestanden.“ Carsten Brosda (SPD) sei im Grunde sein bester Festivalorganisator gewesen, so Meier. Mit dem Nicht-Festival findet am 12. Mai also ein Festival ohne laute Bühnenmusik, ohne kurze Zeltnächte und ohne Schlangen vor den Dixiklos statt. Denn zu diesem Festival kommt keiner aber mitmachen können trotzdem alle, indem sie Tickets kaufen oder zuhause eben ihre eigene Festivalstimmung machen. Oder weiter Netflix gucken. Oder ein Buch lesen.