Digitales Erbe

Analog oder online? Wo sind meine Daten auch nach meinem Tod am besten aufgehoben?

Online-Accounts, Passwörter, digitale Fotos – all das ist vererbbar. Gedanken machen sich darüber die wenigsten. Einige Unternehmen haben darin eine Marktlücke entdeckt und bieten die Verwaltung des digitalen Nachlasses online an. Verbraucherzentrale und Datenschutzbeauftragte stehen dem kritisch gegenüber.

„Dass man lebt, ist Zufall; dass man stirbt, ist gewiss“, wusste bereits Erich Kästner. Diese Einstellung zu teilen, fällt den Deutschen nicht leicht. Das bestätigt eine Umfrage der Digitalgesellschaft Bitkom vom November 2019. 27 Prozent der Befragten gaben an, sich mit dem Thema ungern auseinanderzusetzen. 23 Prozent halten es sogar für unwichtig.

Dabei ist das Thema mehr als beachtenswert, denn früher oder später ist für den der Zeitpunkt gekommen, um sich mit den Hinterlassenschaften zu beschäftigen. Für viele schließt das die Vererbung von Wertgegenständen, Immobilien oder Geld mit ein. Dass ebenso digitale Daten, wie Passwörter, Streaming- und Social Media-Accounts sowie Fotos, Videos und Sprachmemos auf dem Smartphone oder Laptop dazugehören, ist vielen nicht bewusst.

Wie wichtig es daher ist, auch den digitalen Nachlass im Blick zu haben, zeigt das Beispiel einer 15-Jährigen, die vor einigen Jahren tragischerweise ums Leben kam. Um den Grund für den plötzlichen Tod des Mädchens zu erfahren, klagten die Eltern vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Zugang zum Facebook-Profil ihrer Tochter. Der Account war in den Gedenkzustand versetzt worden, die Eltern konnten die dort hinterlassenen Daten nicht einsehen. Das BGH entschied zugunsten der Eltern, seitdem gehen digitale Hinterlassenschaften jeglicher Art an die Hinterbliebenen über. Das gilt auch für Verträge mit Online-Dienstleistern – und die damit verbundenen Kosten, etwa bei Streaming-Plattformen.

16 Prozent beauftragen externe Dienstleister

Ursula N., die ihren Namen hier nicht lesen möchte, ist 64 Jahre alt und hat für so einen Fall vorgesorgt. Auf der Plattform Last Hello, hat sie alles Wichtige hinterlegt: die Adresse ihres Notars, Passwörter, sogar Versicherungsdaten und Anweisungen für ihre Beerdigung. Mit dabei auch persönliche Video-Botschaften und Fotos für ihre Familie. Ihrer Meinung nach beschäftigt sich die Gesellschaft viel zu wenig mit diesem wichtigen Thema. „Man muss sich vor Augen führen, dass wir nur Gäste auf dieser Erde sind“, sagt sie. In der Digitalisierung sieht sie eine Chance für den Umgang mit dem Tod. Die Suche nach Passwörtern und Zugangsdaten möchte sie ihren Kindern später ersparen.

Ursula N. gehört zu jenen 13 Prozent, die der Bitkom-Studie zufolge ihren digitalen Nachlass vollständig geregelt haben. Davon haben 16 Prozent einen externen Anbieter beauftragt, die Online-Konten nach ihrem Ableben zu löschen. Zu diesen Anbietern gehört auch das Beratungsunternehmen Semno. Heute berät die Firma Interessierte und Kunden zur Verwaltung digitaler Nachlässe. Vor sechs Jahren nahm das Unternehmen selbst Aufträge entgegen, um Social-Media-Accounts zu löschen und bestehende Verträge mit Online-Dienstleistern aufzuheben. Diese Aufgabe bieten heute Unternehmen wie Columba und Pacem Digital an.

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Last Hello, eine Dienstleistung des IT-Unternehmens ITholics. Die User*innen können auf der Plattform einen Account anlegen und dort sämtliche Daten für ihre Angehörigen hinterlegen. Regelmäßig verschickt die Plattform Nachrichten an die Adresse der Nutzer*innen, um zu erfragen, ob die Person noch lebt. Reagiert diese nicht, wird eine Anfrage an die Angehörigen versendet, deren Kontaktdaten ebenfalls hinterlegt sind. Sogenannte Last Hellos wurden seit der Gründung ungefähr siebenmal verschickt, schätzt Ercan Güven, Gründer der Plattform.

Dienstleistung mit Zukunft?

Ursula N. erhält jeden Monat eine Anfrage von Last Hello. Die regelmäßige Erinnerung an den eigenen Tod, sieht sie entspannt. „Das ist völlig normal für mich, weil der Tod zum Leben gehört“, erklärt sie. Und zu ihrer Arbeit, denn Ursula N. hat selbst eine Ausbildung zur Sterbebegleitung gemacht. Dass sich die Menschen wenig mit dem Sterben auseinandersetzen, sei problematisch. „Das Thema ist ausgegliedert worden, weil es mit starken Ängsten besetzt ist“, sagt sie.

Die Konkurrenz unter den Dienstleistern hält sich deshalb in Grenzen, denn die Nachfrage ist gering, wie Güven aus eigener Erfahrung weiß. Der Tod sei noch kein salonfähiges Thema. Güven ist allerdings optimistisch, dass sich das künftig ändern wird. Tatsächlich verzeichnet der Digitalverband Bitkom ein steigendes Interesse: Waren es 2017 noch 80 Prozent der Befragten, die sich nicht um ihren digitalen Nachlass gekümmert haben, so waren es ein Jahr später nur noch 65 Prozent. 60 Prozent der Befragten fühlen sich bei dem Thema jedoch nicht genügend informiert.

„Verträge gehen mit dem Tod auf die Erben über. Wenn diese aber nichts von den Accounts wissen und auch nicht im Besitz der Zugangsdaten sind, stehen sie in der Praxis vor großen Herausforderungen“, sagt Christine Steffen, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Verwaltung des digitalen Nachlasses rechtzeitig zu regeln, könne den Angehörigen viel Arbeit ersparen.

Der Klassiker: Daten analog hinterlegen

Doch braucht es dafür wirklich digitale Dienstleister? Nicht unbedingt, findet die Juristin. Besonders in Zeiten, in denen Cyberangriffe häufiger werden, sollte man sich genau überlegen, wo man seine Daten abspeichert. Im digitalen Raum bestehe immer die Gefahr, dass sensible Daten wie Passwörter durch Datenlecks im Internet verbreitet werden. „Das Risiko kann man nicht hundertprozentig ausschließen.“

Auch vor einem Datenmissbrauch warnt die Expertin: „Verbraucher sollten mit ihren persönlichen Daten sparsam umgehen und nicht unnötig sensible Informationen preisgeben. Wo weniger Daten anfallen, können auch weniger Daten missbraucht werden, etwa im Fall eines Identitätsdiebstahls.“ Nutzer*innen sollten daher kritisch hinterfragen, ob es tatsächlich sinnvoll ist, Passwörter bei Dritten zu hinterlegen, heißt es aus dem Fachreferat der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI).

Tendenziell steht die Verbraucherzentrale derartigen Dienstleistungen eher kritisch gegenüber. Steffen rät Verbrauchern nur in äußerster Not dazu, digitale Plattformen zur Nachlassverwaltung in Anspruch zu nehmen. Meist sei der damit verbundene Nutzen ohnehin nicht groß. „Die größte Fleißarbeit, nämlich die Accounts und Zugangsdaten aktuell zu halten, müssen Nutzer auch dann leisten, wenn sie sich hierfür eines Dienstleisters bedienen“, sagt Steffen. Alternativ könne man auf analoge Hilfsmittel zurückgreifen – der Aufwand sei derselbe. Allerdings bleiben einem dabei die Kosten erspart.

„Schreiben Sie die Zugangsdaten – zum Beispiel Nutzernamen und Passwörter – für Hinterbliebene doch einfach auf und hinterlegen Sie sie an einem sicheren Ort“, rät das BfDI. Ursula N. überzeugt das nicht. Sie regelt ihren Nachlass weiterhin online.